Heide Schimke

Künstlerischer Ansatz

Ob ich nun 10.000 Kilometer mit dem Bushcamper durch das Zentrum des roten Kontinents gefahren bin oder mich an den Küsten aufgehalten habe, dort künstlerisch tätig war und bin, alles ist eine Erfahrung zur Beobachtung und zur Entdeckung von strukturellem Sehen; eine Einladung die Veränderungen und Bewegtheiten der Natur zu betrachten.

So verstehe ich in Kurzform auch meine Arbeit: Ich möchte den Verschiebungen, dem Wandel und der Bewegtheit visueller abstrakter Erscheinungsformen auf die Spur kommen, ohne die schwere Last konzeptioneller Interpretation. In meiner künstlerischen Arbeit gehe ich diesen Prozessen nach, erlebe sie wieder, verfolge das Wechselspiel von Regel und Zufall, von Dichte und Transparenz, von Fluss und Erstarrung. Durch den Einsatz von verschiedenen Untergründen — extrem saugend oder völlig glatt, die Farbe entweder sehr flüssig oder besonders dicht und zäh — presse, drücke oder schwinge ich meine Malkörper. Ich spüre Verschiebungen und Metamorphosen in der Natur auf, um sie in meine Arbeit zu transformieren. Es ist eine Verkörperlichung von Naturerfahrung, wobei der Prozess des Tuns im Zentrum steht.

Dieses Wechselspiel, das sich durch sowohl gezielte als auch experimentelle Bewegung der Farbe auf dem Bildkörper entfaltet, setze ich gleich mit den Gezeiten, mit der Anziehungskraft der Erde, mit den Einflüssen die unsere Wege bestimmen. Durch all dies entwickeln sich Strukturen: Sie bewegen unseren Geist, der sich im Wahrgenommenen widerspiegelt. Unser Gehirn hat die Eigenart einerseits Muster zu suchen, aber gleichzeitig einen Gesamteindruck einer Sache zu interpretieren und sie mit Emotionen zu kodieren, wie sie von der Natur nicht vorgesehen sind. Was sehe ich nicht alles was garnicht sichtbar ist - Was sehe ich was du nicht siehst? Das Spiel ohne Grenzen sozusagen, es beflügelt unser Unbewusstes. Die Vorstellungskraft für mich als Künstlerin wird durch dieses Spiel sinnvoll erweitert. Jeder kennt das irgendwie wenn er die Wolken, die Erde, das Meer und alle natürlichen Strukturen betrachtet. Wir entdecken ein Oval und denken an ein Gesicht. Ursprünglich ist diese Kodierung und diese Art des Sehens in der Menschheitsgeschichte ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Gedächtnisses. Wiedererkennen ist ein Überlebensprinzip, in kultureller Hinsicht die Form von tradierter Weisheit.

Bei meinen Arbeiten spielt der Verlauf des Wassers auf verschiedenen Untergründen eine entscheidende Rolle. Wasserbewegungen und deren Linien und Verläufe bilden Spuren oder Wege. Linien setzen sich fort, treffen auf andere Linien, laufen zu ihnen parallel, lösen sich auf oder versickern, verschmelzen oder verlieren sich. Indem etwas entsteht tritt es auch schon die Reise zum Ende an. Der Zustand des Abgebildeten ist damit durch seine vergängliche, auf den Augenblick hinweisende Struktur bestimmt. Diese Veränderung ist das, was mich aktiv in meiner küstlerischen Arbeit herausfordert. Es ist auch der Kern meiner psychotherapeutischen Profession, in der es vor allem um das Wahrnehmen von Lebenslinien und meine Leidenschaft zu Veränderungsprozessen geht. So werden die Wege die uns irgendwohin führen und die Spuren und Linien die wir dabei hinterlassen ein Teil von uns selbst, egal ob wir das wollen oder nicht.

— Heide Schimke